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Ein kunsttherapeutischer Jahresrückblick

Ein kunsttherapeutischer Jahresrückblick

Warum ein Jahresrückblick?

Ja es ist schon wieder soweit! Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu und obwohl ich den Eindruck habe, dass wir gerade erst das neue Jahr eingeleitet haben, ist dieses Jahr doch insgesamt viel passiert. Für viele ist der Jahreswechselt die Zeit, um sich neue Ziele zu setzen, um Gewohnheiten zu ändern und um sich damit zu beschäftigen, was nächstes Jahr alles besser werden soll. Viele sind motiviert und voller Elan, doch hält dies meist nur ein paar Tage, vielleicht Wochen, bis der Alltag die meisten von uns wieder eingeholt hat. Mir selbst sind meist, ohne groß nachzudenken drei Dinge eingefallen, die ich im nächsten Jahr anders machen möchte. Darunter waren – wie bei vielen wahrscheinlich auch –  mehr Sport machen, gesünder ernähren und mehr lesen. Fertig. Das Problem ist, es wird sich nichts daran ändern, wenn ich nicht versuche zu verstehen, warum ich bisher so gehandelt habe, wie ich gehandelt habe. Deswegen möchte ich es dieses Jahr anders machen! Mithilfe von verschiedenen kunsttherapeutischen Methoden möchte ich einen Jahresrückblick machen, durch den ich mein Jahr 2021 tiefer reflektieren möchte und mich damit sowohl besser verstehen als auch akzeptieren lernen. Ich möchte mich mit mir selbst, meinen Entscheidungen und meinem Erlebten auseinandersetzen und den Jahreswechsel nutzen, um bewusst über mein Leben nachzudenken. Gehe ich in meinem Leben den Weg, den ich gehen möchte? Bin ich mit meiner momentanen Lebenssituation glücklich und zufrieden? Der Jahreswechsel besteht für mich dabei aus zwei Komponenten: Dem Jahresrückblick und dem Start in das neue Jahr. Letzterem werde ich nochmal einen eigenen Blogbeitrag widmen.

Ich habe den Jahresrückblick in insgesamt sechs Schritte unterteilt, um sowohl einen strukturierten Überblick zu bekommen, als auch tiefere Themen bearbeiten zu können. Ich finde es ganz passend diese Schritte zwischen Weihnachten und Silvester zu gehen aber wann du deinen Jahresrückblick starten möchtest ist dir natürlich selbst überlassen. Folge mir gerne auf Instagram (@lipoedem_im_kopf), um

Ich bin ehrlich, ich habe noch nie ernsthaft einen Jahresrückblick gemacht. Das ganze vergangene Jahr zu reflektieren kann einem schon Angst machen. Ein Jahr ist lang. In einem Jahr kann viel passieren. Und wenn wir unter dem Jahr kein Tagebuch geführt haben, dann haben wir wahrscheinlich das meiste davon zum heutigen Zeitpunkt schon wieder vergessen. So ging es mir auch. Allein der Gedanke daran, mich mit dem vergangenen Jahr zu beschäftigen hat in mir ein beklemmendes Gefühl ausgelöst, denn über meine Erinnerungen hatte sich ein nebliger Schleier gebildet, durch den ich nicht hindurchblicken konnte. Es war für mich nicht greifbar und das hinderte mich daran anzufangen. Dieses Jahr habe ich mir zum Ziel gesetzt ein System zu entwickeln diese Ohnmacht zu überwinden. Vor allem der erste der folgenden sechs Schritte soll dazu beitragen, denn ich weiß ganz genau, dass sie sich auflöst, sobald ich meine Erfahrungen greifbar gemacht habe.

  1. Verschaffe dir einen Gesamtüberblick über das vergangene Jahr!
  2. Gestalte ein Stimmungsbild!
  3. Gestalte die schwierigste Situation aus dem Jahr 2021 sowie deine Ressourcen!
  4. Lasse alle Dinge zurück, die du nicht ins nächste Jahr mitnehmen möchtest!
  5. Packe einen Rucksack, mit allem, was du ins nächste Jahr mitnehmen möchtest!
  6. Schreibe dir selbst einen Brief!

Warum Kunsttherapie?

Wie ich schon in einem meiner letzten Beiträge deutlich gemacht habe, hat die Kunsttherapie viele Potentiale und Chancen. Die wichtigsten Aspekte im Bezug auf den Jahresrückblick sind aus meiner Sicht folgende:

  1. Ein großes Potential der Kunst ist es, dass schöpferische Potential der Menschen zu wecken. In der Kunsttherapie kann dies genutzt werden, um die eigenen Selbstheilungskräfte und Ressourcen zu aktivieren. Durch das künstlerische Tun kannst du die Erfahrung machen, deine eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu erkennen. Ein wichtiges Ziel des Jahresrückblicks ist es, dass du deine eigenen Bewältigungskräfte erkennst, sodass du im Idealfall eine Auswahl an Bewältigungskräften hast, mit denen du die nächste Krise aus eigener Kraft heraus bewältigen kannst.
  2. Durch die Bildsprache hast du die Chance für Erkenntnis- und Reflexionsmöglichkeiten, insbesondere durch die wahrnehmbare Differenz zwischen Bild- Körper- und Wortsprache.
  3. Auch der Ausdruck als Befreiung spielt bei den nachfolgenden Vorgehensweisen eine wichtige Rolle. In der Kunsttherapie geht es nicht darum, Kunst zu erschaffen, sondern einen Zugang zu seiner eigenen inneren Welt zu bekommen und sich mit sich selbst und seinem Inneren auseinanderzusetzen. Dieser Prozess wird vor allem durch die Kraft der Fantasie hervorgerufen, die in vielen kunsttherapeutischen Methoden angeregt wird.
  4. Zudem findet in der Kunsttherapie häufig eine Sensibilisierung, Vertiefung und Verfeinerung der eigenen Wahrnehmung statt, denn die Darstellung der eigenen Gefühlswelt durch das künstlerische Medium nach außen hat häufig den Effekt, vorher unterbewusstes und damit Unbekanntes über sich selbst sichtbar zu machen. Ziel der Kunsttherapie ist es daher, durch Techniken und Methoden innere Bilder zu erzeugen, welche dann durch künstlerische Medien nach außen getragen und so verstanden werden.

Wenn du alle Infos rund um die Kunsttherapie nochmal genauer nachlesen möchtest – wie sie entstanden ist, was ihre Wirkweisen sind und vieles mehr – dann empfehle ich dir in diesem Beitrag vorbei zu schauen. Wichtig ist mir nur noch kurz zu sagen, dass es in der Kunsttherapie nicht darum geht, ästhetisch schöne Endergebnisse zu erzielen. Vielmehr dienen die nachfolgenden Methoden der Reflektion des eignen Verhaltens und des eigenen Lebens. Achte bei der Durchführung der Methoden daher vor allem auch bewusst auf den Prozess und dein Empfinden während dem Gestalten. Nun aber zu den einzelnen Schritten:

Mein 6- Schritte-System

1. Verschaffe dir einen Gesamtüberblick über das vergangene Jahr!

Der erste Schritt ist keine kunsttherapeutische Methode, sondern soll, wie schon kurz angesprochen, dazu dienen, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen und den nebligen Schleier, der häufig über unseren Erinnerungen liegt, auflösen. Dazu habe ich zwei Vorlagen vorbereitet, die du dir hier herunterladen kannst. Die Unterteilung der Erinnerungen in einzelne Themengebiete, zu denen ich gezielte Fragen vorbereitet habe, sollen dir helfen, dich Stück für Stück zu erinnern. Zudem kannst du in der Monatsübersicht Monat für Monat durchgehen und wichtige Daten und Ereignisse notieren. Nachdem du beide Tabellen ausgefüllt hast, fühlt sich deine Erinnerung hoffentlich wieder klarer an.

2. Gestalte ein Stimmungsbild

Der zweite besteht aus zwei beziehungsweise drei Komponenten. Bevor du allerdings mit der Methode beginnen kannst, ist noch ein etwas Vorarbeit notwendig. Ordne jedem Gefühl eine Farbe zu (am besten du schreibst dir die folgenden Gefühle auf und markierst sie farbig).

freudig                                              neugierig                                            begeistert

traurig                                                  wütend                                               angeekelt

gelangweilt                                        überrascht                                         ängstlich

ausgelassen                                      besorgt                                               aufgeregt

erleichtert                                          zufrieden                                           nostalgisch

Wenn du jedem Gefühl eine Farbe zugeordnet hast, geht’s nun weiter mit der eigentlichen Methode:

(a) Gestalte ein Stimmungsbild aus deiner Erinnerung:

Wenn du an das Jahr 2021 zurückdenkst, wie war deine allgemeine Stimmung? War das Jahr eher gut oder schlecht, warst du eher traurig oder fröhlich, hattest du Spaß oder warst du viel allein? Welche Gefühle waren im Jahr 2021 am prägnantesten? Gestalte ein abstraktes Bild mit den Farben, die du diesen Gefühlen zugeordnet hast. Die Papiergröße und die Wahl der Materialien kannst du frei wählen. Wichtig: Lese noch nicht die nächsten Schritte (b) und (c)!

(b) Markiere die einzelnen Aspekte aus Schritt eins nach Farben:

Um nun dein Stimmungsbild des vergangenen Jahres mit der Realität abzugleichen, nimm dir bitte nochmals die Blätter aus dem ersten Schritt zur Hand und ordne sie nach den einzelnen Gefühlen, indem du sie mit den entsprechenden Farben markierst. So kannst du am Ende gut einschätzen, ob du im vergangenen Jahr z.B. wirklich so viel traurig, besorgt und ängstlich warst, oder ob deine Erinnerung dich täuscht. Welche Farben kommen am häufigsten vor? Welche vielleicht gar nicht? Wichtig: Lese noch nicht den nächsten Schritt (c)!

(c) Gestalte ein reales Stimmungsbild:

Stimmen die Farben aus deiner Gestaltung (a) mit denen deiner Markierungen (b) überein? Stechen dir beim Betrachten dieselben Farben ins Auge? Solltest du durch das Markieren der einzelnen Aspekte eine Diskrepanz zwischen deiner Erinnerung und der Realität festgestellt haben, dann nimm dir jetzt nochmal die Zeit und gestalte ein Stimmungsbild, bei dem du dich bei der Auswahl der Farben, an denen aus deinen Markierungen orientierst. Lege zum Schluss beide Gestaltungen nebeneinander. Wie fühlst du dich? Was konntest du aus der Übung mitnehmen?

3. Gestalte die schwierigste Situation aus dem Jahr 2021 sowie deine Ressourcen!

Kunsttherapeutischer Jahresrückblick

Häufig heißt es, man solle sich nur auf das positive aus dem letzten Jahr konzentrieren aber meiner Meinung nach können auch die negativen Dinge viele Chancen mit sich bringen, denn aus ihnen können wir lernen, Erfahrungen sammeln, uns weiterentwickeln und wir können merken, was in uns steckt. Aus diesem Grund möchte ich dich heute dazu einladen, dir zu überlegen, was die für dich schwierigste Situation im Jahr 2021 war. Es muss nicht ein einzelnes Ereignis sein, sondern kann auch eine Reihe an Ereignissen, ein Gefühl oder ein Zeitraum sein. Setz dich dafür an einen Ort, an dem du dich sicher und wohlfühlst. Für deine Gestaltung benötigst du am besten ein DINA 4 oder 5 Papier und ein DINA 3 Papier sowie Farben, die dir guttun und die du gerne benutzt. Gestalte nun auf dem DINA 4 oder 5 Papier die Situation oder den Zeitraum, der für dich im Jahr 2021 am schwierigsten war. Eine Situation oder Gefühl, das dich überwältigt hat, dich viel Kraft gekostet hat, dir Kummer bereitet hat oder dich Verletzt hat. Lass dir dafür Zeit aber versuche, dich nicht in den negativen Gefühlen, die mit dieser Situation oder diesem Zeitraum verbunden sind zu verlieren. Mache dir bewusst, was diese Situation bei dir ausgelöst hat und welche Wunden sie hinterlassen hat, bevor wir im nächsten Schritt darauf schauen möchten, welche Stärken sie in dir hervorgerufen haben. Nimm dir dazu das DINA 3 Papier und klebe dein DINA4/5 Papier in seine Mitte. Anschließend gestalte den Rahmen deiner Gestaltung. Was gibt dir Sicherheit? Was gibt dir Halt? Welche Personen unterstützen dich? Welche Eigenschaften hast du, die dich stärken und dir Kraft geben? Du hast es aus der Situation herausgeschafft, die du zum Anfang dieser Übung gestaltet hast. Du bist stark! Erkenne deine eigenen Ressourcen und gestalte sie auf das DINA 3 Papier als äußeren Rahmen. Wenn du mit der Gestaltung fertig bist, betrachte sie nochmal im Gesamten. Welche Gefühle löst sie in dir aus? Was konntest du aus der Übung mitnehmen?  

4. Lasse alle Dinge zurück, die du nicht ins nächste Jahr mitnehmen möchtest!

Überlege dir, welche Dinge du aus dem vergangenen Jahr nicht mit ins nächste Jahr mitnehmen möchtest. Das können Personen, Dinge, Gefühle, oder auch Verhaltensweisen, etc. sein. Deine Listen aus dem ersten Schritt können dir auch hier wieder als Orientierungshilfe dienen. Gestalte diese Dinge auf einem Papier mit den Materialien deiner Wahl. Falte dieses Papier anschließend so klein wie du kannst und verbrenne es in der Natur.

5. Packe einen Rucksack, mit allem, was du ins nächste Jahr mitnehmen möchtest!

Nachdem du dir im letzten Schritt überlegt hast, was du nicht mit ins nächste Jahr nehmen möchtest, geht es nun im das genaue Gegenteil. Welche Dinge, Personen, Verhaltensweisen, Gefühle, etc. möchtest du ins nächste Jahr mitnehmen? Was hat dir dieses Jahr gutgetan? Gestalte diese Dinge und hänge dir dein Bild anschließend ein paar Tage oder Wochen in deiner Wohnung/deinem Zimmer auf, um sie nicht zu vergessen.

6. Schreibe dir selbst einen Brief!

Schreibe dir zum Abschluss des Jahresrückblicks selbst einen Brief. Aber nicht an dein selbst heute, sondern an dein selbst vor einem Jahr. Schreibe auf, was dieses Jahr Wichtiges für dich passiert ist, mache dir Mut, lobe dich für die Dinge, die du geschafft hast oder die Krisen, die du überwunden hast und tröste dich, für den Schmerz, den du erlebt hast. Worauf bist du stolz? Was hast du alles erlebt? Was war das beste und was das schlimmste im vergangen Jahr und welchen Anteil hattest du daran? Wie hat sich dein Leben in den letzten zwölf Monaten verändert? Aus welchen Fehlern kannst du lernen?

Ich hoffe, dass dir mit meinem sechs Schritte System ein strukturierter und reflektierter Jahresrückblick gelingt! Natürlich kannst du auch nur ein paar Schritte machen und dich von mir inspirieren lassen, deinen ganz eigenen Abschluss für das Jahr 2021 zu finden! Ich freue mich, wenn du deine entstandenen Gestaltungen mit mir teilest (per Mail oder über Instagram). Solltest du noch Fragen haben oder Hilfestellungen benötigen, schreib gerne einen Kommentar oder nutze mein Kontaktformular. Du möchtest nach dem Jahresrückblick auch direkt mit den Neujahrsvorsätzen weiter machen? Dann kommst du hier zum Blogbeitrag mit dazu passenden und aufeinander aufbauenden kunsttherapeutischen Übungen.

Bis dahin wünsche ich dir jetzt schonmal einen guten Rutsch ins neue Jahr und viel Erfolg beim Gestalten der einzelnen Vorgehensweisen!

Deine Sarina

Du suchst Inspiration? In diesem Video reflektiere ich meine Neujahrsvorsätze

Darüber, was Kunsttherapie ist…

Darüber, was Kunsttherapie ist…

Blogbeitrag #4

Hallo! Es freut mich, dass du dich für Kunsttherapie interessierst! Egal, ob du selbst mit dem Gedanken spielst, Kunsttherapie zu studieren oder du dich fragst, ob ein kunsttherapeutisches Coaching bei mir das Richtige für dich ist, in diesem Beitrag werden hoffentlich all deine Fragen geklärt. Ich habe versucht, dir einen Gesamtüberblick von der geschichtlichen Einordung, über ihre Entstehung und ihre Potentiale und bis hin zu ihren Einsatzfeldern zu geben. Falls du Fragen oder Ergänzungen hast, schreib sie gerne in die Kommentare und ich werde so bald wie möglich versuchen darauf einzugehen.

Fangen wir am besten ganz von vorne an. Die Kunsttherapie zählt zu den künstlerischen Therapieformen und verbindet die Kunst und die Psychologie. Das heißt, in der Kunsttherapie wird die therapeutische Beziehung, also die Beziehung zwischen Therapeuten und Klient, um ein Drittes- nämlich das künstlerische Medium- erweitert. Außerdem ist die Kunsttherapie, neben der Vernetzung aus Kunst und Psychotherapie, noch aus der Vernetzung von Kunst und der Pädagogik. Insgesamt ist in der Kunsttherapie also eine Kombination der Potentiale aus der Kunst und den beiden anderen Disziplinen- der Psychotherapie und der Pädagogik- möglich. Auf die möglichen Potentiale gehe ich später nochmal genauer ein.

Wie aber ist das ganze jetzt geschichtlich einzuordnen? Im 19 Jhd. entwickelte sich erstmals ein erwachendes Interesse für ästhetisches, meist bildnerisches Gestalten von Kranken in der europäischen Medizin. Allerdings vorerst nicht unter dem Aspekt des Heilens, sondern vielmehr unter dem Aspekt des Krankseins und der damit einhergehenden Psychopathologie des Ausdrucks. 1914 stellte Mohr dazu Überlegungen zur diagnostischen Verwertbarkeit der künstlerischen Gestaltungen von Kranken an. Als Künstler erstmalig ernst genommen wurde der an Schizophrenie leidende Adolf Wölfli, der von 1864-1930 lebte. Allerdings wurde er erst lange nach seinem Tod dem breiten Publikum bekannt. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Art brût- oder auch Outsider Art genannt. Um jetzt von Wölfli wieder die Brücke zur Kunsttherapie zu bilden. 1922 entstand die sogenannte Prinzhornsammlung -eine Arbeit über die „Bildnerei von Geisteskranken“. Diese stellt den Basiswert zur Erforschung der Kunst von Geisteskrankheiten sowie einen zentralen Beitrag zu einem vertiefenden psychopathologischen Verständnis des subjektiven Welterlebens in psychotischen Erkrankungen dar. Die Aufmerksamkeit ist hier erstmalig nicht wie am Anfang beschrieben auf dem Aspekt des Krankseins, sondern auf den stabilisierenden Wirkungen auf das Seelenleben, die von der kreativen Auseinandersetzung mit psychotischem Erleben ausgehen.

Heute findet die Kunsttherapie in vielen Bereichen Anwendung. Ergänzend zu dem „klassischen“ Anwendungsfeld der Psychiatrie wird mittlerweile in vielen Krankenhäusern und Rehakliniken Kunsttherapie angeboten. Außerdem arbeiten Kunsttherapeut*innen neben Arbeitsfeldern im klinischen Kontext auch im pädagogischen Kontext beispielsweise in Kindergärten und Schulen, aber auch in Seniorenheimen und in der Jugendhilfe. Je nach Bereich liegt der Fokus eher auf der Prävention oder auf einer bestimmten Problemstellung die gemeinsam bearbeitet wird. Ein großer Teil der präventiven Arbeit macht der Bereich des Coachings- also der Beratung zur persönlichen Weiterentwicklung- aus. Du siehst also- Kunsttherapie ist nicht gleich Kunsttherapie und was noch wichtiger ist: Kunsttherapie heißt nicht unbedingt Therapie. Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Berufsbezeichnung „Kunsttherapeut*in“ leider nicht um einen geschützten Beruf. Im Prinzip kann sich daher jeder „Kunsttherapeut*in“ nennen, der oder die zum Beispiel nur ein Wochenendseminar über Kunsttherapie belegt hat. Dies ist mitunter wahrscheinlich auch ein Grund, weshalb man als Kunsttherapeut*in ohne zusätzlichen Heilpraktiker nicht berechtigt ist, selbstständig heilend tätig zu sein. Denn die individuellen Qualitäten und Kompetenzen unterscheiden sich ganz klar stark je nach absolvierter Aus- oder Weiterbildung und sollten bei der Wahl eines Therapeuten immer miteinbezogen werden.

Nachdem du jetzt einiges über die Entstehung der Kunsttherapie weißt, ist noch wichtig zu erwähnen, dass es nicht die EINE Kunsttherapie gibt. Wie auch in der Psychotherapie gibt es hier verschiedene Ansätze, die in der Konsequenz auch wieder andere Methoden anwenden. Insgesamt gibt es vier verschiedene Ansätze: der kunstpädagogische Ansatz, der verhaltenstherapeutische Ansatz, der anthroposophische Ansatz und der tiefenpsychologische beziehungsweise psychotherapeutische Ansatz. An dieser Stelle möchte ich gar nicht weiter auf die verschiedenen Ansätze eingehen, denn hier auf diesem Blog werden sich alle weiteren kunsttherapeutischen Inhalte nur auf den tiefenpsychologischen Ansatz, den ich in meinem Studium gelernt habe, beziehen. Dieser Ansatz geht auf den Begründer Sigmund Freud zurück und wurde später durch Carl Gustav Jung weiterentwickelt. Der Fokus liegt dabei darauf, die Psychologie des Unbewussten zu erklären und zu verstehen -also jene Inhalte und Prozesse der Psyche, die vom Bewusstsein abgesperrt und nicht ohne weiteres zugänglich sind. Durch die Kunsttherapie soll nun der Zugang zum Unbewussten ermöglicht werden. Damit kommen wir auch direkt zu den Wirkweisen der Kunsttherapie.

Alle kunsttherapeutischen Ansätze verfolgen die theoretische Prämisse, dass das Gestalten von Bildern und Arbeiten mit verschiedenen künstlerischen Medien eine heilende Wirkung auf den Menschen haben kann. Die Kunsttherapie greift dann, wenn die Balance zwischen Gesundheit und Krankheit nicht mehr gegeben ist. Schauen wir uns dazu das Prinzip der Balamce zwischen der Salutogenese und der Pathogenese -also der Gesundheit und Krankheit- nach Renate Limberg an.

Nach Limbergs Prinzip steht auf der linken Seite der Waage das Risiko, die Belastung, die Krise und die Krankheit. Wohingegen auf der rechten Seite der Waage die Bewältigungskraft, die Ressourcen und die sogenannte persönliche Schatzkiste stehen. Nach diesem Prinzip wird Gesundheit als Balance zwischen den eigenen Risiko- und Schutzfaktoren definiert. Es geht also nicht darum, alle Belastungen loszuwerden, sondern als Ausgleich eine eigene Bewältigungskraft und Ressourcen aufzubauen. Eine Handlungsnotwendigkeit besteht dann, wenn die Balance nicht mehr gegeben ist, also wenn Erlebnisse, Erfahrungen und Empfindungen nicht mehr mit den gewohnten Bewältigungsmechanismen oder Ressourcen bearbeitet werden können und dadurch zu Krisen und Krankheiten führen.

Nun möchte ich noch die Potentiale und Chancen der Kunsttherapie mit dir teilen. Das soll dir später auch helfen, wenn du dich für ein Coaching bei mir entscheidest, deine eigenen Ziele besser einordnen zu können. Die Besonderheit an der Kunsttherapie ist natürlich die Verbindung und Verwendung der Kunst. Im Folgenden gehe ich daher auf spezielle Potentiale der Kunsttherapie ein, die sich durch den Aspekt des künstlerischen Tuns ergeben. Auf generelle Potentiale- also beispielsweise durch den Input einer außenstehenden Person- wie sie auch in der klassischen Psychotherapie gegeben sind, werde ich hier nicht weiter eingehen.

  1. Ein großes Potential der Kunst ist es, dass schöpferische Potential der Menschen zu wecken. In der Kunsttherapie kann dies genutzt werden, um die eigenen Selbstheilungskräfte und Ressourcen zu aktivieren. Durch das künstlerische Tun kannst du die Erfahrung machen, deine eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu erkennen. Wenn du dich jetzt nochmal an das Bild der Waage erinnerst, dann merkst du, wir sind hier schon auf der rechten Seite. Ein wichtiges Ziel in der Kunsttherapie und auch in einem Coaching mit mir wird es also sein, dass du deine eigenen Bewältigungskräfte erkennst, förderst und dadurch immer weiter festigst und stärkst. Also, dass du im Idealfall am Ende eine Auswahl an Bewältigungskräften hast, mit denen du eine Krise aus eigener Kraft heraus bewältigen kannst.
  2. Ein weiteres Potential der Kunsttherapie ist es, dass du durch das Dritte Medium eine „Sprache“ dazugewinnst, die sogenannte Bildsprache. Diese kann im Prozess immer wieder als Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeit genutzt werden. Deine Bilder und andere Werke dienen dann auf nonverbaler Ebene -im Gegensatz zur verbalen Sprache- als Mitteilungen, Botschaften, Appelle oder Ähnliches. Durch die Bildsprache hast du zudem die Chance für Erkenntnis- und Reflektionsmöglichkeiten, insbesondere durch die wahrnehmbare Differenz zwischen Bild- Körper- und Wortsprache.
  3. Als drittes Potential der Kunsttherapie ist hier der Ausdruck als Befreiung zu nennen. Viele künstlerischen Materialien ermöglichen bspw. einen expressiven Ausdruck, also zum Beispiel durch das Werfen von reinen Tonklumpen oder -das wirst du wahrscheinlich kennen- die Methode des Actionpaintings. Hast du eines davon schonmal ausprobiert? Wenn ja, dann hast du hoffentlich die befreiende Wirkung selbst erfahren können. Außerdem bietet die Kunsttherapie völlig freie Darstellungs- und Ausdrucksmöglichkeiten. Es gibt in der Kunsttherapie kein richtig und kein falsch, kein schön oder hässlich. Die Kunsttherapie ist völlig frei von Bewertungen, es gibt keinen Leistungsdruck und keine Konkurrenz. Es geht nicht darum, Kunst zu erschaffen, sondern einen Zugang zu seiner eigenen inneren Welt zu bekommen und sich mit sich selbst und seinem Inneren auseinanderzusetzen. Auch dieser Aspekt der Kunsttherapie hat also eine sehr befreiende Wirkung.
  4. Machen wir gleich weiter mit dem Thema der eigenen inneren Welt. Und zwar bietet die Kunsttherapie auch die Möglichkeit -vor allem im tiefenpsychologischen Ansatz- einen Zugang zu seinem Unbewussten zu finden. Dieser Prozess wird vor allem durch die Kraft der Fantasie hervorgerufen, die in vielen kunsttherapeutischen Methoden -wie zum Beispiel Fantasiereisen- angeregt wird. Auch davon werden wir im Coaching Gebrauch machen!
  5. Zudem findet in der Kunsttherapie häufig eine Sensibilisierung, Vertiefung und Verfeinerung der eigenen Wahrnehmung statt, denn die Darstellung der eigenen Gefühlswelt durch das künstlerische Medium nach außen hat häufig den Effekt, vorher unterbewusstes und damit Unbekanntes über sich selbst sichtbar zu machen. Ziel der Kunsttherapie ist es daher, durch Techniken und Methoden innere Bilder zu erzeugen, welche dann durch künstlerische Medien nach außen getragen und so verstanden werden.

So damit hast du jetzt ganz schön viel über die Kunsttherapie gelernt und weißt ein bisschen besser, was dich in einem kunsttherapeutischen Coaching erwarten kann. Ich freue mich, wenn ich dein Interesse geweckt habe und dich in einem kostenlosen Erstgespräch kennenlernen kann!

In einem der nächsten Beiträge geht es dann um die künstlerischen Medien, von denen jetzt so viel die Rede war.