Lipödem und Psyche – Auswirkungen der Diagnose Lipödem auf die Seele

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Die Krankheit Lipödem ist eine chronische Fettverteilungsstörung und scheint somit auf den ersten Blick erstmal nur eine körperliche Krankheit zu sein. Sie betrifft hauptsächlich Frauen und entsteht vermutlich durch eine Hormonveränderung oder Vererbung. Obwohl das Lipödem eine körperliche Erkrankung ist, können viele Zusammenhänge zwischen den Themen Lipödem und Psyche hergestellt werden. Die Diagnose Lipödem birgt also viele Faktoren, die sich auf unser mentales Wohlbefinden auswirken können. Leider beobachte ich immer wieder, dass überwiegend die körperlichen Symptome des Lipödems im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen – sowohl bei Betroffenen als auch bei Fachpersonal. Das ist zum einen natürlich absolut normal und mir ging es damals nicht anders. Schließlich sind sie es, die wir sehen und bewusst fühlen können. Zum anderen gibt es in Bezug auf Veränderungsprozesse oft viele Handlungsempfehlungen, an denen wir uns orientieren können und die uns Sicherheit im Umgang mit ihnen geben. Psychische Belastungen sind dagegen nicht greifbar und es ist oft schmerzhaft sie sich einzugestehen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Der scheinbar einfachere Weg ist die Verdrängung. Und so setzen sich die wenigsten Betroffenen wirklich aktiv mit ihrem mentalen Wohlbefinden auseinander. Dazu kommt, dass vielen zwar bewusst ist, dass die Diagnose sie auch mental belastet, aber sie gehen davon aus, dass es ihrer Psyche schon besser gehen wird, sobald die körperlichen Symptome gemildert sind. Ich möchte dir hier keinen Vorwurf machen, denn mir ging es nach der Diagnose damals auch nicht anders. Ich hatte genau diesen Gedanken. Ich wusste, dass mich das Aussehen meiner Beine mental belastet und hatte mir neben der Schmerzlinderung selbstverständlich auch eine mentale Verbesserung versprochen, als ich mich damals für die Liposuktionen entschied. Warum das ein absoluter Denkfehler und meiner Meinung nach nicht möglich ist, erzähle ich dir gleich.

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Seelische Belastungen durch die Diagnose Lipödem

  1. Stigmatisierung von Übergewicht in der Gesellschaft
  2. Zukunftsangst
  3. Finanzieller Druck
  4. Unverständnis des Umfelds
  5. Jahrelange Ungewissheit
  6. Jahrelange Schuldfrage und Versagensthematik
  7. Verlust der Selbstkontrolle
  8. Stress durch großen Umfang an Selbstmanagement
  9. und viele mehr…

Lass uns im Folgenden einen genauen Blick darauf werfen, inwiefern diese seelischen Belastungen häufig mit der Diagnose Lipödem einher gehen.

Stigmatisierung von Übergwicht in der Gesellschaft

Viele Betroffene mit der Diagnose Lipödem leiden (bedingt durch die Erkrankung) an teils starkem Übergewicht. Dieses wird in unserer heutigen Gesellschaft leider von vielen nicht akzeptiert, weshalb auch Lipödembetroffene mit vielen negativen Reaktionen konfroniert werden. Diese beginnen oft schon sehr früh, wodurch Mobbingerfahrungen in der Kindheit und Jugend nicht selten sind.

Zukunftsangst

Das Lipödem ist eine chronische Krankheit, das heißt sie wird im Laufe der Zeit nicht besser sondern im Zweifel immer schlimmer. Und vor genau dieser Verschlimmerung bspw. durch eine erneute Hormonveränderung in der Schwangerschaft haben viele Betroffene Angst. Dazu kommt diese leise Stimme im Hinterkopf, die immer wieder daran erinnert, dass auch eine Vererbung an die eigenen Kinder möglich ist. Und klar ist, diese körperlichen und seelischen Belastungen, die man dann damit weiter gibt wünscht sich keine Mutter für ihre Kinder.

Finanzieller Druck durch die Liposuktionen

Die operative Behandlung des Lipödems durch sogenannte Liposuktionen wird bis heute nur in wenigen Ausnahmefällen von den Krankenkassen übernommen. Viele Betroffene leiden deswegen darunter, sich diesen Weg nicht leisten zu können. Andere verschulden sich massivst (teilweise mehrere Zehntausend Euro) und leiden dann unter dem finanziellen Druck das Geld zurückzuzahlen.

Unverständnis des Umfelds

Obwohl es sich bei der Erkrankung Lipödem um eine anerkannte Diagnose handelt, sind dennoch viele Betroffene damit konfroniert, dass ihr Umfeld diese nicht versteht oder gar nicht erst anerkennt. Zu sehr ist immernoch das Vorurteil verankert, dass Übergewicht selbstverschuldet und durch Undisziplin, Faulheit und zu viel Kalorienzufuhr verursacht ist. – Warum dies so gut wie nie die Ursache ist (unabhängig von Lipödem), darauf gehe ich bald in einem anderen Blogbeitag ein. – Dieses Unverständnis mach einsam und führt bei vielen Betroffenen dazu, dass sie sich zurückziehen oder sogar selbst an sich und der Diagnose zweifeln.

Jahrelange Ungewissheit

Wie viele Jahre es von den ersten Symptomen bis zur Diagnose braucht ist natürlich sehr individuell. Ich selbst habe 4 Jahre auf meine Diagnose gewartet aber ich kenne mittlerweile viele Betroffene, bei denen es sogar mehrere Jahrzente gedauert hat. Leider ist dies keine Seltenheit sondern eher die Regel, was zum einen mit der Stigmatisierung von Übergewicht bei Ärzten aber auch mit der Unwissenheit der Ärzte/ der Gesellschaft zu tun hat. Das diese jahrelange Ärzteodysee mit regelmäßigen äußerst negativen Erfahrungen zu mentalen Belastungen führt ist denke ich klar.

Jahrelange Schuldfrage und Versagensthematik

Dieser Aspekt hat viel mit dem vorherigen Punkt zu tun. Denn wenn jahrelang keine Diagnose gestellt wird, dann suchen Betroffene die Erklärung für die eigenen Symptome zwangsläufig bei sich selbst. Vorallem für die stetige Gewichtszunahme und die im Gegensatz dazu stehende unmögliche Gewichtsreduktion (in Bezug auf die krankhaften Lipödem-Fettzellen) wird die Schuld sich selbst gegeben.

Verlust der Selbstkontrolle

Die krankhaften Lipödem-Fettzellen sind nach jetztigem Wissensstand sowohl Diät- als auch Sportresistent. Was so viel heißt wie: ein guter Wille und Disziplin helfen nichts. Der Verlust an Selbstkontrolle kann schnell dazu führen, dass man sich als nicht handlungsfähig erlebt, was weitreichende Folgen haben kann. Denn wenn du das Gefühl hast, mit deinen eigenen Handlungen nichts zu bewirken, verkümmern deine Selbstheilungskräfte. Außerdem fühlen sich viele Betroffene fremdbestimmt in Bezug auf das Tragen der Kompressionsversorgung.

Stress durch großen Umfang an Selbstmanagement

Selbstmanagement ist ein wichtiger Faktor für einen guten Umgang mit der Diagnose. Dazu gehören neben einer gesunden Ernährung und Sport auch das tägliche Eincremen und Tragen der Kompression sowie viele Termine bspw. im Sanitätshaus, der Lympdrainage oder bei Ärzten dazu. Dieser enorme Zeit- und Kooerdinationsaufwand sorgt schnell mal für Stress, denn er kommt natürlich zum eh schon alltäglichen Arbeitspensum nochmal obendrauf.

Das waren jetzt nur ein paar Faktoren, die mir ohne groß nachzudenken direkt in den Sinn kamen. Es gibt noch viele weitere, teilweise auch sehr individuelle Themen, die mit der Diagnose Lipödem in Verbindung gebracht werden können.

Deine Denk- und Verhaltensmuster ändern sich nicht von heute auf morgen

Das Problem mit generell allen mentalen Themen, die nicht bearbeitet werden: sie bleiben und werden nicht einfach von alleine verschwinden. Auch eine bzw. mehrere Liposuktionen können dir dabei meiner Meinung nach nicht helfen, denn du wirst nicht plötzlich alle negativen Erfahrungen vergessen, die du aufgrund deines Körpers gemacht hast. Ebenso wenig wird sich dein Verhalten plötzlich verändern, ohne, dass du aktiv etwas dafür tust. Wie soll das auch funktionieren? Deine Denk- und Verhaltensmuster haben sich über so viele Jahre im Laufe deines Lebens in dir verankert und eine Abnahme alleine wird diese nicht von heute auf morgen alle verändern. Du bist innerlich immernoch der selbe Mensch wie ein paar Stunden vorher – nur dein Körper hat sich verändert. Du wachst am morgen danach nicht einfach auf und hast ein gesundes Verhältnis zum Essen und zum Sport. Auch dein Umfeld wird ändert sich nicht von heute auf morgen. Mein Gewicht ist bspw. weiterhin bei fast jedem Familientreffen ein Thema und wird meistens kurz angesprochen. Aber was meiner Meinung nach der aller wichtigste Aspekt ist: Die Art wie du über dich slebst denkst und wie du mit dir und deinem Körper umgehst wird sich auch nicht plötzlich ändern. Was ich damit meine ist, du wirst immer etwas finden, dass dir an deinem Körper nicht gefällt, wenn du nicht lernst von innen heraus glücklich zu sein. Umso wichtiger ist sich aktiv mit den eigenen Erwartungen und der Einstellung zu seinem Körper auseinander zu setzen.

Du bist gefragt!

Ich bin jetzt (ungewollt) sehr auf das Thema Liposuktion eingegangen aber im Endefekt ist alles auch auf eine generelle Gewichtsreduktion übertragbar. Mach nicht den Fehler und konzentriere dich nur auf deine körperlichen Symptome. Wenn du langfristig einen guten Umgang mit deiner Diagnose finden möchtest ist es wichtig beide Seiten im Blick zu haben. Sowohl die körperlichen als auch die psychischen Aspekte. Wenn du aus deinem Blogbeitrag eins mitgenommen haben solltest, dann ist es nicht zu vergessen, aktiv an deinen mentalen Themen zu arbeiten. Ja es ist ein langer Prozess und ja er ist mit Sicherheit auch phasenweise schmerzhaft aber er wird sich lohnen und du wirst stärker und glücklicher daraus hervorgehen.

Ich hoffe ich konnte dir mit diesem Blogbeitrag einen kurzen Einblick in die mentalen Aspekte der Diagnose Lipödem geben und dir aufzeigen, wie wichtig es für einen gesunden Umgang mit der Krankheit auch diese nicht aus dem Auge zu verlieren sondern aktiv zu bearbeiten. Falls du dabei Hilfe brauchst, kannst du dich hier gerne jederzeit bei mir melden.

Jetzt interessiert mich aber wie du zu dem Thema Lipödem und Psyche stehst. Hast du den Eindruck, die Diagnose wirkt sich auf dein mentales Wohlbefinden aus und wenn ja inwiefern? Und setzt du dich bereits aktiv mit diesen Aspekten auseinander? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen! Ich freue mich über einen interessanten Austausch und bin gespannt darauf von dir und einen Erfahrungen zu lesen!

Bis bald

Deine Sarina 🌻

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